Auf seiner langen Irrfahrt ist der Holländer nun in Bonn am Rhein angekommen. In dem ihm vom Mythos zugestandenen schmalen Zeitfenster am Ende einer siebenjährigen Frist, in dem ihm Erlösung zuteilwerden könnte. Wird die Inszenierung von Walter Schütze (auch Bühnenbild und Kostüme) sie ihm gewähren? Enthält doch Wagners Libretto einige Tücken, die nicht so leicht zu umschiffen sind und jede Inszenierung vor eine neue Herausforderung stellen.
Liebe als Zauberwort
Gemeint ist nicht die Verlegung des Handlungsortes vom ursprünglichen Kap der Guten Hoffnung an die wilde und unberechenbare norwegische Küste. Ein Kunstgriff , der die Dramatik nach hiesigem Verständnis eher noch zu steigern scheint. Den Dreh- und Angelpunkt stellt – Wagner folgend – nach Schützes Einschätzung wohl eher die „LIEBE“ dar. Jenes im Libretto zentrale Zauberwort, das gleich zu Beginn vor dunklem Hintergrund bedeutungsvoll eingeblendet wird. Und am Ende gleich noch einmal, diesmal sogar mit Ausrufezeichen versehen.
Doch welche Liebe ist gemeint? Auf den ersten Blick wohl die im Mythos hoch angesiedelte Liebe von Senta (Magdalena Anna Hofmann) zu dem Holländer (Mark Morouse). Von höherer Erlösungsinstanz dazu vorgesehen, den hoffnungslos umher Irrenden von seinem Leiden des Nicht-Sterben-Könnens zu befreien. Noch vor dem Jüngsten Gericht, das ohnehin nichts als „ewige Vernichtung“ für ihn bereit hält.
Zielgerichtete Dringlickeit
Wie viel dabei für den Holländer auf dem Spiel steht, macht Mark Morouse von Anfang an („Die Zeit ist um!“) in einfühlsamer und zugleich zielgerichteter Dringlichkeit deutlich. In einem hoffnungslos-hoffnungsvollen Drängen, dem Kapitän Daland (Priit Volmer) als Sentas Vater nichts Wesentliches entgegen zu setzen hat. Und mit kaum zu ergründender Leichtigkeit umgehend seine geliebte Tochter den ihm unbekannten geheimnisvollen Seefahrer verspricht.
Auch Magdalena Anna Hofmann als Senta ist von Anfang an trotz des feuchtfröhlichen Klamauks in der Spinnstube (Anjara I. Bartz als Sentas Amme Mary) die Leidenschaft gegenüber Unbekannt anzuspüren. Ein abgrundtiefes Verfallensein, das sich dann beim persönlichen Zusammentreffen sogleich emotional ins Unermessliche zu steigern scheint. Vergessen die Schwüre von Liebe und Treue, die ihr Verlobter Erik (ausdrucksstark Paul McNamara) flehentlich bittend und doch vergebens für sich in Anspruch nimmt.
Symbol der Gattenliebe?
Ihre eigenen Liebesschwüre leugnend, wird Senta sicherlich nicht zum Symbol der Gattenliebe wie Leonore in Ludwig van Beethovens „Fidelio“. Denn nun gilt ihr Treueschwur dem Holländer, der für einen kurzen Augenblick des Zweifelns seinem Schicksal nichts Anderes mehr entgegenzusetzen weiß.
Ist es nun Liebe oder Aufopferung, die sie „treu bis in den Tod“ sein lässt um damit das gemeinsame Schicksal zu besiegeln? Etwas abrupt und darin vergleichbar manch anderer Ungereimtheit, wie die in den begeisterten Schlussapplaus eingeflochtene Kritik vermuten lässt.
Gegen Kritik gefeit ist allerdings die musikalische Leistung des Abends. Ausgesprochen hoch der Anspruch von Chor und Extrachor des Theater Bonn (Einstudierung Volkmar Olbrich), besonders ausdrucksstark mit „Steuermann lass die Wacht“ im 3. Aufzug. Begeisternd auch das Beethoven Orchester Bonn unter der musikalischen Leitung von Hendrik Vestmann, das sich bereits bei der Ouvertüre glaubwürdig in die sich anbahnende Dramatik hinein steigert und den Spannungsbogen während der pausenlosen Aufführung bis zum Schlussakkord aufrecht erhält.
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Weitere Aufführungen: 3., 17., 29. Oktober, 08., 19. November, 25. Dezember 2015, 08., 24. Januar 2016